Jesus Christus spricht: Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?
Lukas 9, 25 (E)
Seit über einem Jahr sitze ich im Homeoffice und meine Arbeitswelt findet auf zwei großen Bildschirmen statt, mit Menschen, die ich per Telefon kontaktiere und manchmal auch per Video sehe. Um nicht nahtlos vom Frühstückstisch an den Schreibtisch zu gehen und dort die nächsten 10 Stunden zu verbringen, gehe ich jeden Tag vor der Arbeit noch 10 Minuten zur Morgeneinstimmung spazieren und lasse mich von „SWR1 Anstöße“ inspirieren. Auch wenn nicht jeder Beitrag meine Stimmung trifft, so ist doch der religiöse Impuls, das Erleben der Natur, das Aufgehen der Sonne, das Wachsen der Pflanzen und der Blick über die Filderebene immer wieder ein Moment der Besinnung, der mich zu Gott und einem Austausch mit ihm führt und meinen Blick auf die richtigen Dinge lenkt.
Danach läuft alles Weitere wie in einem Film ab – unsere Aufgaben bringen mich mit meinem Kollegen aus Indien, China und Singapur zusammen – wir besprechen notwendige Veränderungen an unseren Infrastrukturen, diskutieren neue Prozesse, klären die Finanzen und entscheiden über den Einsatz unserer Personalressourcen. Wenn die Sonne weitergezogen ist, passiert Vergleichbares mit den Europäern – und am Abend mit den Amerikanern.
Habe ich Zeit mir Gedanken darüber zu machen, wer mir denn da auf dem Bildschirm so genau entgegen flackert? Wie geht es der Ehefrau, was machen die Kinder, sind die Eltern noch gesund, umtreiben ihn in diesen Zeiten wirtschaftliche Probleme und Sorgen? Wir entscheiden über Menschen, die in unserem Auftrag arbeiten und für deren Wohl und Weh wir eigentlich Verantwortung tragen.
All unser Streben zielt darauf ab, uns in dieser Welt zu positionieren, gegen andere zu behaupten, die natürlich gleiches wie wir wollen – letztendlich die ganze Welt zu gewinnen. Aber um welchen Preis – verlieren wir uns dabei, verlieren wir die Anderen? Welchen Auftrag hat uns hier der Herr gegeben?
Tauche ich abends aus meiner Berufswelt wieder auf und in meine familiäre Idylle ein, lassen mich diese Gedanken oft nicht los. Auf der einen Seite können wir das Feld nicht den anderen überlassen, auf der anderen Seite stellt sich schon die Frage, wieviel Schaden verursachen wir mit unserem Handeln an uns selbst und anderen. Konzentrieren wir uns auf die richtigen Dinge und wie bekommen wir hier eine Balance hin? Wenn ich auf Lukas höre, dann ist die Antwort einfach – wenn ich meinen Alltag anschauen, dann werde ich diesen Ansprüchen nicht gerecht und finde oft keinen Weg, wie ich dies umsetzen soll.
In solchen Momenten tröstet mich Psalm 23. Der Herr ist mein Hirte, er sorgt für mich als seinen Schützling, er begleitet mich und zeigt mir den richtigen Weg. Er wird mich aus diesem finsteren Tal führen und wir werden den Menschen, für die wir Verantwortung tragen wieder persönlich entgegentreten. Und aus kleinen sprechenden Quadraten meines Bildschirms werden wieder echte Menschen werden – Herr, ich freue mich darauf.
Klaus Kirdorf