Vor dem Loben kommt das Klagen…
das war eine der Aussagen, die ich am Anfang des Wochenendes mit Frauen bei der Communität Christusbruderschaft in Selbitz hörte. Oh, dachte ich, das kann ja heiter werden, wenn jetzt alle anfangen zu klagen und zu jammern.
Jede von uns konnte sich einen oder zwei Verse aus den Psalmen aussuchen. Da war Klage und Lob ganz nah beieinander. Ich bekam einen Vers aus Psalm 25,15: Meine Augen sehen stets auf den Herrn, denn ER wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen.
Ein schöner Vers, dachte ich, den behalte ich jetzt. Wir hatten Zeit und Gelegenheit, uns Gedanken über den von uns gewählten Vers zu machen. Und so las ich mal den Psalm 25 ganz durch. Es ist ein Gebet um Gottes Vergebung und Leitung. Die Feinde und Verächter sollen zuschanden werden.
Der Beter hat Angst vor den vielen Feinden, die ihn zu Unrecht hassen. Das passt aber gar nicht zu der von Jesus gepredigten Feindesliebe. Wie gehe ich damit um? Aber mal ehrlich: ich habe zwar keine Feinde, aber es gibt schon Situationen, in denen ich mich fürchte. Ich fühle mich ausgeliefert und weiß nicht, wie ich weitergehen soll. Da kann ich dann nur ein Stoßgebet zu Gott schicken, dass er mir weiterhilft.
Und so entstand ein persönlicher Psalm der diese Worte aufnahm:
Meine Augen – verschließen sich oft
Meine Augen – sehen das Leid der Welt
Meine Augen – schauen in die Tiefe
meines eigenen Lebens
Meine Augen – sehen Ungerechtigkeit, die Menschen erleben
Meine Augen – sehen die Schönheit in der Natur
Meine Augen sehen stets auf den Herrn
Den Herrn, der Herr über Alles ist
Den Herrn, der barmherzig ist
Den Herrn, der mir oft fremd ist
Den Herrn, dem ich alles sagen kann
Den Herrn, der größer, höher, weiter ist
als meine Vorstellungskraft
Den Herrn, der mich besser kennt als ich mich selber
Denn ER wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen
Dem Netz des Misstrauens
Dem Netz des Unglaubens
Dem Netz des Kleinglaubens
Dem Netz der Klage
Dem Netz, das ich mir selber knüpfe
Dem Netz, in das ich freiwillig hineingelaufen bin.
Die Psalmen sind das Gebetbuch der Bibel – wir können aus ihm lernen, alles – wirklich alles – Gott anzuvertrauen. Das tut gut und entlastet.
Gestärkt bin ich wieder von Selbitz nach Möhringen gefahren, um die Kraft des Gebets auch künftig zu erleben; ich will mein persönliches Beten wagen: als Klage, als Bitte, als Dank und als Jubel!
Petra Sturm