Monatsspruch März: Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Buch Mose 19,33
Diese Worte sind von großer Aktualität. Die Debatte um das Thema Migration beherrscht die politische Agenda. Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht. Andere werden vertrieben oder es wird ihnen eine zwangsweise Umsiedlung angedroht. Wieder andere wechseln freiwillig, aus beruflichen Gründen, ihren Standort und ziehen in eine andere Stadt, in ein anderes Land.
Was ist die Fremde, wo beginnt sie? Die Fremde ist überall dort, wo wir nicht heimisch sind. In vergangenen Zeiten war dies sogar im Urlaub der Fall: Im Gasthof wurden Fremdenzimmer angeboten, und wenn wir eine Auskunft wollten, gingen wir ins Fremdenverkehrsamt. Da hören sich die heutigen Begriffe Gästezimmer und Tourist-Info doch gleich viel angenehmer an.
Wer ist die Fremde, der Fremde? Das sind zunächst einmal Personen, die wir noch nicht kennen. Die müssen gar nicht weit herkommen, da reicht schon der Nachbarort oder die übernächste Straße.
Das Fremde ist das für uns Unbekannte. Oft bereitet es uns Unbehagen, sogar Furcht. Dieses Verhalten kennen wir von kleinen Kindern, wenn sie fremdeln, also sich vor unbekannten Menschen fürchten. Oder wenn Erwachsene mit dem ihnen anvertrauten Amt fremdeln…
Im vorliegenden dritten Buch Mose geht es um die Regelung des menschlichen Zusammenlebens. Im ersten Buch wurde mit der Verkündigung der zehn Gebote das „Grundgesetz“ verkündet. Nun geht es um die konkrete Ausgestaltung, sozusagen um die „Einzelgesetze“. Und dazu gehört auch, wie man mit Menschen umgeht, die uns noch nicht bekannt sind.
Sind wir bereit, sie als Fremde bei uns aufzunehmen? Welche Sitten und Gebräuche bringen sie mit? Passen diese Sitten, diese Verhaltensformen zu den unsrigen? Können wir mit ihnen umgehen, mit ihnen leben? Oder wirken diese Fremden mit ihrem Verhalten auf uns unheimlich, so dass wir geneigt sind, diese Fremden innerlich und äußerlich abzulehnen und den Wunsch verspüren, uns über sie zu stellen?
Umgekehrt gilt aber auch: Sind diese Menschen bereit, sich aufnehmen zu lassen? Die Sitten und Gebräuche der Gastgeber zu akzeptieren, sie womöglich sogar anzunehmen? Sich einzugestehen, dass die eigene kulturelle Sicht der Dinge in der Fremde nicht als das Maß der Dinge angesehen wird?
Wenn wir aus dem Bibeltext den nachfolgenden Satz hinzuziehen, wird das Anliegen unseres Monatsspruchs verständlicher: Vergesst nicht, dass auch ihr schon mal in der Fremde wart, damals in Ägypten. „Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der Herr, euer Gott.“
Hier erinnert Gott das Volk Israel an seine eigene Vergangenheit, an das Leben außerhalb der vertrauten Umgebung, an das Leben in der Fremde.
Letztlich geht es um den alten Begriff des „Leben und leben lassen“. Unser Gegenüber in der Andersartigkeit zu akzeptieren und anzuerkennen, und zwar gegenseitig.
Somit beschreibt der Monatsspruch eine Variante des „liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“. Das ist in unserer Zeit sicherlich keine einfache Aufgabe, es kann eher als eine Zumutung empfunden werden. Derzeit scheint das Trennende stärker zu sein als das Verbindende. In dem Begriff „Zumutung“ steckt aber auch das Wort „Mut“ drin.
Wenn wir es alle wollen, haben wir die Kraft, das Trennende zu überwinden.
Haben wir den Mut, den oder die Fremden anzunehmen und aufzunehmen?
Wir können es hinbekommen, wenn wir alle den guten Willen dazu aufbringen.
Und Gott kann uns dabei helfen. Auch wenn er da derzeit viel mit uns zu tun hat…
Elmar Kurtz
(Elmar.Kurtz@t-online.de)