Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist. (2. Mose 23, 2)
Der Monatsspruch für den Juli ist sehr klar in seiner Einfachheit. Und gleichzeitig ist es doch viel einfacher, mit der Mehrheit mitzuschwimmen – auch wenn sie im Unrecht ist. Die Schwierigkeit liegt dabei meist nicht darin das Unrecht zu erkennen und dementsprechend zu benennen. Im Gegenteil: Meistens wissen wir intuitiv, was Recht und was Unrecht ist. Nicht ohne Grund findet sich der Monatsspruch nur wenige Kapitel nach den zehn Geboten. Jener einfachen Formel, die auf zwei Steintafeln die Beziehung der Menschen zueinander und zu Gott regeln soll und die Jesus im Doppelgebot der Liebe zu Gott und unserem Nächsten auf ihre Essenz reduziert.
Und dennoch: Wenn es hart auf hart kommt, ist es meist der bequemere – manchmal sogar der ungefährlichere Weg – sich der Mehrheit anzuschließen, auch wenn sie im Unrecht ist. Dietrich Bonhoeffer wusste das nur zu gut. Schließlich bezahlte er seine Entscheidung, sich dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten anzuschließen, mit seinem Leben. „Nachfolge“, eines der theologischen Hauptwerke Bonhoeffers gilt als authentische Bezeugung christlichen Glaubens unter der Unrechtherrschaft der Nationalsozialisten und damit als Kampfschrift gegen sie. Dort finden sich zwei Sätze, die mich seitdem ich sie gelesen habe, sehr beschäftigen und an die ich beim Lesen des Monatsspruchs unweigerlich denken musste: „Nur der Glaubende ist gehorsam, und nur der Gehorsame glaubt“ (S. 36). Der erste Satz geht runter wie Öl: Durch meinen Glauben an Gott gelte ich als gehorsam gegenüber ihm. Mit dem zweiten Satz wird es schon schwieriger: Gibt es in unserer modernen Welt vermeintlich doch allzu viele gesellschaftliche Zwänge, die es uns unmöglich machen, den biblischen Geboten jederzeit Gehorsam zu leisten. Auch ich erwische mich immer wieder dabei, mir Ausflüchte und Rechtfertigungen für manch kleineres oder größeres Unrecht zurechtzulegen. Oft lautet die Ausrede eben ähnlich wie im Monatsspruch: Alle anderen machen es ja auch so. Doch für Bonhoeffer gehören diese beiden Sätze untrennbar zusammen. Nur wer glaubt ist gehorsam; nur wer gehorsam ist, glaubt. Und die äußeren Zwänge zum Ungehorsam gegen die biblischen Gebote waren zu seiner Zeit ungleich größer als heute. Doch für Bonhoffer war klar: Die Nachfolge Jesu erfordert radikale Hingabe und Gehorsam ihm gegenüber. Alles andere ist billige Ausrede.
Mich beeindruckt Bonhoeffers Mut zur radikalen Gottes- und Nächstenliebe zutiefst. Und sie ist mir Ansporn gemeinsam mit Christinnen und Christen auf der ganzen Welt das Doppelgebot der Liebe zu halten – selbst dann, wenn äußere Zwänge es unbequem machen oder wir damit in der Minderheit sind.
Sebastian Hinderer
(sebastian.hinderer@posteo.de)