Abhaken, vergessen, in den Mülleimer der Geschichte – das ist der Tenor einiger Kommentare, die ich über das (erste) Coronajahr lese.
2020 war ein herausforderndes, gefährliches, ja sogar tödliches Jahr, und doch auch von Gott geschenkte Zeit. Jetzt schnell wieder den Vor-Corona-, den sogenannten Normalzustand herzustellen, wie das viele (Politiker) wollen, wäre eine verpasste Chance. Was ist „normal“? Was wollen wir als „Normalität“?
…Prüfet alles…
Corona hat uns aus voller (Irr?-)fahrt auf Null abgebremst – die totale Entschleunigung.
„Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen“, sagt Mahatma Gandhi. Wir haben jetzt die Chance, werden sogar gezwungen, unsere weltweiten(!) Systeme (Globalisierung) zu überprüfen und neu, besser aufzustellen. Muss Butter aus Irland billiger sein, als die aus der Region?
…Prüfet alles…
Wollen wir wirklich wieder ungehemmtes, oft verantwortungsloses Wirtschaftswachstum, das angeblich „alternativlos“ sei? Brauchen wir tatsächlich wieder uneingeschränkte Mobilität mit Billigflügen, Dienst- und Urlaubsreisen in übermotorisierten Spritfressern? Wir kennen fast die halbe Welt, die Toskana, Korsika, …aber… wo ist der Hunsrück, der Spreewald, das Fichtelgebirge – was gibt’s da zu erleben? Oder mal das letzte Abenteuer in Deutschland riskieren: Eine Fahrt mit der Bahn – man weiß nie, ob, wann, wie und wo man ankommt. 🙂
…Prüfet alles…
Ich habe im Coronajahr Egoismus, Rücksichtslosigkeit, Ignoranz auch Dummheit erlebt, vor allem aber beeindruckende Kreativität, Solidarität, Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme. Endlich konnte auch das kirchliche Naturgesetz, dass fast alle Gottesdienste – sogar unter Coronabedingungen und ohne Gemeindegesang – eine Stunde dauern (müssen?), verifiziert werden.
…Prüfet alles…
Wir haben erfahren, welche Berufe „systemrelevant“ sind: Natürlich Profifußballer, aber gleich danach soziale Berufe, Supermarktmitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Diese wurden mit viel Beifall und wenig Geld bedacht. Der Lufthansa und der TUI wurden Milliarden „reingeschoben“. Sind Konzerne, die Millionen Tonnen CO2 in die Luft blasen, wirklich „systemrelevant“?
…Prüfet alles…
Eine schöne Erfahrung ist auch, wie wichtig Gemeinde- und CVJM-Leben ist. Erst durch dessen drastische Einschränkung wurde mir seine Bedeutung bewusst. Sonst alltägliche, persönliche (Routine-)Kontakte wurden plötzlich sehr wertvoll.
Prüfet alles, das Gute behaltet (1.Thes 5, 21)
Wir haben also viel zu prüfen, zu entscheiden, weiterzuentwickeln, was wir aus dem Jahr 2020 mitnehmen wollen und was tatsächlich in den Mülleimer wandert.
Ich befürchte aber, dass das „Weiter so“, wie vor der Pandemie zu verlockend ist?
Andreas Hasenknopf