„Kein Geschöpf bleibt vor Gott verborgen. Nackt und bloß liegt alles offen vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft schuldig sind.“ Hebräer 4, 13
Ein Obstbauer besaß eine ansehnliche Apfelplantage. Zur Zeit der Ernte nimmt er sie in Augenschein und freut sich auf die zu erwartenden Früchte. Doch wann immer er auf sein Land hinausgeht, muss er feststellen, dass die schönsten Äpfel, die er gestern noch am Baum sah, geklaut wurden. In seiner Not wendet er eine List an. Er schreibt auf ein Schild „Gott sieht alles“ und hängt es in einen Apfelbaum. Als er am nächsten Morgen wieder auf die Plantage kommt, um zu sehen, ob seine Drohung gewirkt hat, findet er auf dem Schild folgenden Zusatz: „Gott sieht alles. Aber er verrät uns nicht.“
Und das stimmt. Bei ihm sind meine Geheimnisse und Verfehlungen in guten Händen. Ihm darf ich mich deshalb öffnen und all die Dinge anvertrauen, über die ich nicht gerne rede. Und es muss mir nicht peinlich sein.
„Es liegt alles nackt und aufgedeckt vor den Augen Gottes,“ heißt es im Hebräerbrief.
Gott hält das aus, hinzusehen, auf unsere Nöte, auf unser Versagen, auf unsere kleinen und großen Bosheiten.
„Es liegt alles nackt und aufgedeckt vor seinen Augen“.
Das bedeutet schließlich: Nur Gott hat das Recht und die Macht, jeden unter seiner Verkleidung und Verhüllung so zu sehen, wie er oder sie wirklich ist.
Für jeden von uns ist es eine wichtige Etappe in seinem Leben, wenn er zu entscheiden beginnt, wem er sich nackt zeigt und wem nicht. Aber die wirkliche Nacktheit unseres Wesens ertragen wir selbst kaum. Nur vor der unendlichen Liebe brauchen wir uns in keiner Hinsicht zu schämen.
Vor Gott müssen wir uns nicht verstecken. Gott sieht uns, wie wir wirklich sind, mit unseren hellen und unseren dunklen Seiten. Und er schweigt nicht dazu.
Der Kern allen Lebens ist Wort, Anrede, Zuspruch und Anspruch. Gott sieht, mehr als uns lieb ist und sagt, was gesagt werden muss, scharf und direkt. Damit wir leben können, trotz allem.
Also machen Sie sich schon mal frei, für Gottes Wort.
Volker Hühn