SYSTEMRELEVANT? SINNRELEVANT!!
Zu Beginn der Coronapandemie wurde viel über die wirklich wichtigen, die „systemrelevanten“ Bereiche unserer Gesellschaft diskutiert. Krankenhäuser, Pflege, Lebensmittelmärkte wurden u.a. genannt. Die Kirchen waren selten dabei, ja, es wurde offen nach der „Systemrelevanz“ von Kirche überhaupt gefragt. Ist das wirklich so, dass Kirche und Glaube unwichtig sind? Hier in Möhringen hatte ich den Eindruck, dass gerade die Hoffnung des Glaubens, die Zuversicht in unsicheren Zeiten sehr wohl ihre Bedeutung zeigten. Monatelang wurde nach Beginn der Pandemie z.B. bei der Auferstehungskirche auf den Balkonen musiziert und gesungen, und das Pflegeheim war mit einbezogen, wenn viele Menschen an den Fenstern die Choräle hörten und begeistert Beifall klatschten. Mobile Kurzgottesdienste und neue liturgische Formen wurden gefunden, und der Zuspruch war erstaunlich. Auch die Jugendarbeit entfaltete kreative mobile Angebote.
Doch dem steht eine gesamtgesellschaftliche Tendenz entgegen, die alles Christliche an den Rand drängen will. Teils aggressiv wird die Relevanz von Glaube und Kirche bekämpft; leider hat die offizielle Institution auch Anlass zur Kritik gegeben – und da hilft es wenig, wenn die evangelische Kirche auch für Missstände in der katholischen in Mithaftung genommen wird – die Wirkkraft in die Breite nimmt ab.
Aber es sind nicht nur die Fehler und Pannen von Gottes Bodenpersonal, die für diese Krise verantwortlich sind, es zeigt sich eine kolossale Sinnkrise: die Menschen haben nicht nur Gott vergessen; sie haben sogar vergessen, dass sie ihn vergessen haben…
Die Liedstrophe Paul Gerhardts kommt einem in den Sinn: „Wir stolzen Menschenkinder sind eitel arme Sünder und wissen gar nicht viel. Wir spinnen Luftgespinste und suchen viele Künste und kommen weiter von dem Ziel“ (EG 482,4). Was können wir als Christinnen und Christen tun? Paulus beschreibt unsere Aufgabe: „So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!“ (2. Kor 5,20)
Das ist die Basis allen Übels und allen Unfriedens, dass wir Menschen uns im Unversöhnten eingerichtet haben. Wir allein bestimmen die Richtung unseres Lebens und der Welt. Die Folgen sehen wir täglich in Pandemien, Klimawandel, Krieg und Not.
Also muss es richtig heißen: Kirche ist nicht SYSTEMrelevant, aber sehr wohl SINNrelevant!! Unser Leben ist in Christus fest gegründet auch gegen allen äußeren Anschein.
Wichtig bleibt, dass es nicht die äußere Institutionsform ist, die überzeugt, sondern ein einladendes, frohmachendes Glaubensleben vor Ort, in dem es immer wieder heißt: „Lasst euch versöhnen mit Gott!“
Klaus Sturm